Stellungnahme Verkehrs- und Regionalforum Waldviertel zur „Waldviertelautobahn“

Stand 22.5.2018

„Waldviertelautobahn“/“Europaspange“ wäre eine HISTORISCHE FEHLENTSCHEIDUNG –

Das Geld sollte stattdessen in die Entwicklung entlang der Stärken der Region fließen: in (Weiter)Bildung, FJ-Bahn, Schnelles Internet, Gesundheit

Appell an die RegionalvertreterInnen:

Bitte zieht das TROJANISCHE PFERD nicht in unser Waldviertel!

Anstatt einem Betonband sollten Alternativen für eine bessere Entwicklung des Waldviertels ins Auge gefasst werden

Wenngleich manche WaldviertlerInnen den Plänen für Autobahnen im Waldviertel aufgeschlossen sind, und das allgemeine Anliegen einer Verbesserung der Infrastruktur im Waldviertel mehr als berechtigt ist, erscheint es angesichts der Dimensionen dieser Projekte sinnvoll nüchtern Vor- und Nachteile von Autobahnen im Waldviertel abzuwägen, und auch eine Autobahn nicht als einzige Entwicklungsstrategie zu sehen. Letztlich ist nicht Autobahn-Schnellstraße Ja/Nein  sinnvoll; vielmehr sollten grundlegende Alternativen zur Diskussion gestellt und abgewogen werden: Was könnte man mit den Milliarden anstatt für Beton sonst sinnvoll  machen?

Wer braucht eine neue TRANSIT- Route?

Die jetzigen Pläne einer „Europaspange“ von Freistadt nach Hollabrunn haben mit Europa nichts zu tun, machen aber eine neue TRANSIT- Route auf. Solche TRANSIT- Routen bringen – wie Verkehrsexperte Knoflacher  aufgrund von Erfahrungen feststellte – am ehesten noch Kriminalität in die Region.

Schwarzalm-Hoteldirektor Markus Hann hat recht, dass er einen Waldviertler Highway, eine Datenautobahn ohne Asphalt braucht. Und gibt es nicht zu denken, dass auch ein anderes Schwergewicht der Wirtschaft, Christof Kastner, der von Transport was versteht, skeptisch zu einer Waldviertel-Autobahn ist? Auch der jetzige Bildungsminister und Geograf Heinz Faßmann hat Zweifel angemeldet, dass die Errichtung einer hochrangigen Straße die Entwicklung des Waldviertels voranbringen würde

Der Verkehrsexperte Knoflacher sagt, dass eine „Autobahn nur dazu beitragen würde, das Waldviertel weiter "ausrinnen zu lassen, weil die Region in Richtung Zentren entleert“ würde. Lokale Betriebe und Arbeitsplätze würden minderwertigen Jobs entlang der Autobahn weichen. Mittelständischen Unternehmen würden von aussen noch stärker (nieder)konkurrenziert werden. Knoflacher zur Autobahn: "Wenn man das Waldviertel massiv schädigen will, dann muss man sie bauen."

  • Nicht die Waldviertler Wirtschaft braucht eine Waldviertelautobahn, sondern diese ist im Interesse der Baulobby und großer in – und ausländischer Unternehmen (wie im Detail noch nachgewiesen wird.

Brauchen sie eventuell die PendlerInnen?

Autobahn ändert nichts an finanziellen Belastungen der PendlerInnen

Für manche PendlerInnen würde eine Autobahn geringere Pendeldzeiten bringen. Allerdings wäre ein effektiverer öffentlicher Verkehr besser für PendlerInnen. Faktum ist, dass in Regionen wie dem Waldviertel öffentlicher Verkehr weitgehend fehlt und die Motorisierung sehr hoch ist; der Bezirk Waidhofen/T. weist bei Autos pro Kopf den österreichischen Spitzenwert auf! Die Folge davon ist die größere Belastung der Bevölkerung: „In Gebieten mit geringer Siedlungsdichte sind die Verkehrsausgaben in einem Haushalt mit 18,2 % deutlicher höher als in Städten mit 14,2 %[1]

An dieser überdurchschnittlichen Belastung würde auch eine Autobahn nichts ändern. Sofern Unternehmen ihren Beschäftigten  für PKW’s  nicht Begünstigungen vergeben (im Vergleich mit Öffis), „ist auf langen Distanzen die Fahrt im öffentlichen Verkehr viel günstiger als im PKW. Bei einem Pendelweg von 2 x70 km beträgt die Kostenersparnis im ÖV gegenüber dem PKW rund 300 €/Monat[2]

PendlerInnen hilft: Drastischer FJB-Ausbau und öffentlicher Verkehr weitgehend gratis

Die Fahrzeugdichte auf den Straßen ist andererseits kaum wo in Österreich so niedrig wie im Waldviertel. Ein weiterer Straßenausbau ist nicht nötig, Infrastruktur und Versorgung müssten dagegen wieder vermehrt zum Bürger zurückkommen. Wesentlich ist die Verwirklichung der Pläne für eine drastische Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs mit der Franz-Josefsbahn als effizienter Hauptlinie bzw. als Rückgrat - und intelligenten Zubringersystemen. Mit dem Geld, das eine Waldviertel-Spangenautobahn kostet, könnte man 60 Jahre lang lang – also für ein Vielfaches der technischen Lebensdauer der Autobahnbauwerke ein Jahresticket wie in Wien für den öffentlichen Verkehr anbieten.

  • Und aus sozialen und Klimagründen sollte noch besser der öffentliche Verkehr überhaupt weitgehend gratis oder sehr billig sein, wodurch ein Anreiz für eine stärkere Nutzung und damit auch zu einem weiteren Ausbau gegeben wäre.

Warum eine Autobahn keine Arbeitsplätze bringt, sondern diese eher gefährdet

Im Schnitt beträgt in Österreich der Transportkostenanteil ca. 2 % der Gesamtkosten von Produkten und Dienstleistungen. Selbst eine Senkung der Transportkosten über kürzere Fahrzeiten um 20 % würde daher nur nicht viel mehr als ein halbes Prozent weniger an Gesamtkosten für Unternehmen bringen; das wird weder Grund für Zuzug, noch für Absiedlung von Unternehmen sein.

Im Schnitt spielt der Transportkostenanteil nicht die zentrale Rolle, für einzelne Unternehmen und Branchen ist er  höher (etwa Holz, Baustoffe oder Agrarprodukte). Es stellt sich die Frage, warum die Allgemeinheit für eine sehr teure Infrastruktur, die nur für wenige Unternehmen ins Gewicht fallen könnte, aufkommen sollte. Wenn wirklich zweckmäßig – was im Einzelfall zu klären wäre - könnten hier Kompensationsmaßnahmen von Seiten der öffentlichen Hand gesetzt werden, generell sollten gewichtsintensive Produkte sowieso mit der Bahn transportiert werden.

Eine Waldviertelautobahn würde wahrscheinlich zur weiteren Verlagerung des ohnehin nur mehr sehr geringen Gütertransport von der Schiene auf die Straße führen (Holz!), obwohl immerhin das Gegenteil deklariert wird.

Für die jetzt im Waldviertel tätigen bzw. verbliebenen größeren Unternehmen ist die Transportfrage offenbar alleine weniger entscheidend als die hohen Fachkompetenzen der Beschäftigten. Und die Zeit der großen Betriebsansiedlungen ist lange vorbei. Weitere Arbeitsplätze sind aus den bestehenden Unternehmen heraus, insbesondere aus dem Wachsen von kleineren und mittleren Unternehmen real möglich. Genau diese können aber durch eine Autobahn stärker einer unfairen Konkurrenz durch große Unternehmen ausgesetzt werden, und so würde ein gesundes Arbeitsplätzewachstum gefährdet

Auch die Wissenschaft sagt: Autobahnen nützen den großen Konkurrenzfirmen mehr als der lokalen Wirtschaft

  • Die „Neue Ökonomische Geographie“, die mit dem „Wirtschaftsnobelpreisträger“ Krugman verbunden ist, besagt, dass die Verringerung von Transportkosten in einer Region in der Regel den Großkonzernen mehr nützt. Und zwar weil die Dominanz großer Konzerne auf der Nutzung von Kostenvorteilen bei hohen Stückzahlen und dem Ausüben von Marktmacht bei der Preisfestsetzung besteht. Um hohe Stückzahlen absetzten zu können, brauchen sie große Märkte, und da spielen dann niedrigere Transportkosten und damit der günstige Zugang zu Märkten eine wichtige Rolle beim Niederkonkurrenzieren kleinerer lokaler Unternehmen

Dass niedrigere Transportkosten im weiteren Sinn, d.h. inklusive entsprechender Infrastruktur, der lokalen Wirtschaft schaden können oder zumindest nicht oder wenig nutzen, mag auf dem ersten Blick überraschen, weil eben oft günstigere Transportkosten für eine entscheidende Voraussetzung für regionale Entwicklung gesehen werden. Der einfache Punkt ist allerdings, dass durch günstigere Transportkosten nicht nur billig aus der Region gefahren und transportiert werden kann, sondern von deutlich stärkeren Konkurrenten auch billig in die Region gefahren und transportiert werden kann, und so die regionale Wirtschaft stärker unter Druck kommt.

 Auch Bundeswirtschaftskammer-Zeitschrift sagt: Schwächere Regionen gewinnen nicht durch Verkehrsinvestitionen, sondern verlieren eher

In der Zeitschrift der Bundeswirtschaftskammer „Wirtschaftspolitischen Blätter“ heißt es klar:

  • Tendenziell gewinnen durch den Ausbau der Verkehrsstruktur Unternehmen mit überregionalen Absatz- und Beschaffungsmärkten stärker …[3].
  • Aus einem Überblick über viele Fallstudien zu konkreten Folgen von Verkehrsinvestitionen in strukturschwächeren Gebieten wird ein „Two-way-Effekt  abgeleitet: „Eine Verbesserung der Infrastruktur bewirkte zwar zusätzliche wirtschaftliche Aktivität in den Regionen. Es wurde jedoch gezeigt, dass vor allem schwächere Regionen aufgrund verbesserter Erreichbarkeitsverhältnisse verlieren können.“[4]
  • Speziell für den Nachbarn Schweiz heißt es: „Das Bundesamt für Raumentwicklung und das Bundesamt für Straßen (2006) kamen für Regionen in der Schweiz zu dem Ergebnis, dass wirtschaftlich schwächer aufgestellte Regionen in den 70er und 80iger Jahren von zunehmender Erschließung profitierten, seit den 90er Jahren sich diese Entwicklung jedoch umkehrte[5]
  • Und zusammenfassend: „Im Allgemeinen lassen sich aus der Literatur keine eindeutigen Wirkungen einer Verbesserung einer (Straßen-)Verkehrsinfrastruktur auf die wirtschaftliche Entwicklung ableiten, wobei industriell geprägte Regionen tendenziell profitieren, strukturschwache Regionen eher verlieren.“[6]

 

Auch eine Erfahrung aus der Geschichte des Waldviertels sollte vorsichtig machen

Vergleichbares wie jetzt mit den Autobahnplänen ist im Waldviertel im 19. Jahrhundert geschehen: „Verkehrsanschluss und Verbilligung des Transports setzten das Waldviertler Gewerbe in verstärktem Maß einer überregionalen Konkurrenz aus, die innerhalb des Waldviertels unter dem Anpassungsdruck Konzentrationsprozesse bewirkte. Zahlreiche Waldviertler Gewerbebetriebe hielten dieser Konkurrenz nicht stand, sodass in der Folge die gewerbliche Vielfalt abnahm.“ (Komlosy 2006: S. 320)

Das alles soll allerdings nicht heißen, dass die Verkehrsinfrastruktur unwichtig ist. (Und die Straßenverkehrsinfrastruktur ist aber ohnehin ausgebaut). Es soll heißen, dass andere Faktoren als die Transportkosten für die Entwicklung einer Region verantwortlich sind, und dass das begrenzte öffentliche Geld in diese Faktoren investiert werden sollte..

Käme der Bau einer weiteren hochrangigen Straße der lokalen Wirtschaft zugute?

Kämen regionale Unternehmen bei einem Mega-Projekt zumindest beim Bau zum Zuge? Wohl kaum. Die Fakten zum durchgeführten Großprojekt der Umfahrung Zwettl  sprechen eine klare Sprache: bei diesen Aufträgen  kamen zum größten Teil nicht regionale Unternehmen zum Zug, sondern regionsexterne Unternehmen (mit ihren Arbeitskräften), und auch in diesen wurden nur für kurze Zeit relativ wenige (und wenig attraktive) Jobs gemessen an den hohen Kosten von  über 150 Millionen € geschaffen.

Warum jetzt eine Autobahn gepusht wird

Die Autobahnlobby der großen Baukonzerne in Österreich möchte weiter massiv Beton verbauen, nachdem große Projekte fertig oder auf Schiene sind, und irgendwann ein Ende der Auslastung absehbar ist.  Es geht dabei um Milliarden, während gleichzeitig aber für kleine Projekte angeblich kein Geld da ist.

Leute, die jahrelang Infrastruktur abgebaut haben, oder nichts dagegen gemacht haben, oder nur halbherzig Widerstand geleistet haben, als Polizei, Schulen, Ämter, Geschäfte, Bahnen, Gesundheitseinrichtungen (Geburtenstation Waidhofen) usw. verloren gingen, stellen jetzt ein Mega-Projekt in den Raum: Dieses Mega-Projekt kann nur langfristig verwirklicht werden kann, und hat kurz- und mittelfristig sowieso keine Effekte (außer Beschäftigungstherapie).

Soll nun lange über Details diskutiert werden, anstatt grundlegende Alternativen ernsthaft in den Raum stellen? Soll damit von früheren Verantwortung abgelenkt werden?

Das Land NÖ erzeugt den Eindruck, dass das Nichtvorhandensein einer Autobahn der Hauptgrund für diverse Probleme wie Abwanderung sei. Wird damit von den wirklichen Problemen und der Verantwortung dafür abgelenkt?

Jahrzehntelang wurde Flächenwidmung kaum zur Steuerung der Standorte eingesetzt, Einkaufszentren durften Nahversorger verdrängen, Gesundheitseinrichtungen und Infrastrukturen wurden zentralisiert, die Donauufer- und die Thayatalbahn aufgelassen und insgesamt eine Politik für Konzerne gemacht. Ist die Amerikanisierung des Verkehrs mit einer Autobahn als Gipfel die Lösung für das Waldviertel?

 Geisterfahrer im Klimawandel?

Von der völlig verkehrten Richtung in Zeiten des Klimawandels ganz zu schweigen: wer kann verantworten mit einer neuen Autobahn  die WaldviertlerInnen im zu Ende gehenden Ölzeitalter noch an alte Technologien zu binden, statt für Zukunftstechnologien – öffentlicher Verkehrs plus solarversorgte – E-Mobilität offen zu sein.

Der Verkehrssektor gehört fast mit einem Drittel zu den größten CO2-Verursachern, und noch schlimmer, hier sind seit vielen Jahren Zunahmen zu verzeichnen, während ein Rückgang unbedingt notwendig wäre. Ein Verkehrswende in diesem Sinne muss und wird kommen. Und das Waldviertel sollte nicht Schlusslicht sein, sondern das Potential nutzen, vorne dabei zu sein.

  • Durch die sich abzeichnende und laufend stärker werdende Klimaveränderung, ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Autobahn - wenn sie zu bauen begonnen werden sollte -  in fünfundzwanzig Jahren schließlich nicht fertiggebaut ist, weil die Klimapolitik verschärft werden muss bzw. der CO2-Ausstoss radikal gesenkt werden muss, und dann einzelne Teilstücke unfertig in der Landschaft stehen bleiben

Unter Pröll behielt die Vernunft bezüglich Waldviertelautobahn die Oberhand

Unter Landeshauptmann Pröll wurden in NÖ zwar viele verkehrspolitische Fehler gemacht, jedoch bezüglich Waldviertel-Autobahn behielt die wirtschaftliche und ökologische Vernunft die Oberhand. Beim Wechsel von Schwarz zu Türkis gewann aber das Spekulieren mit vereinfachten Erklärungen und vordergründigen Lösungen auch in dieser Frage die Oberhand: Schuld an der Situation im Waldviertel sei das Fehlen einer Autobahn, und das müsse geändert werden, koste es was es wolle. Was war an der jahrelang vertretenen Position falsch, und was spricht gegen die Rückkehr zur kühlen Vernunft in dieser Frage?

Es spricht auch viel dafür, dass offenbar seit Jahren ein nicht für die Öffentlichkeit bestimmtes Konzept für ein hochrangiges Betonband Freistadt-Zwettl-Hollabrunn besteht, und dieses nun umgesetzt werden soll: Hinweise darauf gibt es seit längerem etwa in Pressemeldungen insbesondere aus der Gemeinde St. Martin dazu, wo genau diese neue Querung des Waldviertels Richtung Hollabrunn (und groteskerweise bis nach Polen!) angesprochen wurde. Und auch dem als solchen völlig überdimensionierten Westteil der Umfahrung Zwettl könnte man aus dieser Sicht einen (zweifelhaften) Sinn als erstem Stück dieser Spange abgewinnen.

  • In der offiziellen Medienkampagne für die „Europaspange“ wird übrigens das Wort Autobahn vermieden, sodass auch eine – ebenfalls nicht begründbare – Schnellstraße letztlich als taktisches Ergebnis bzw. als Kompromiss zu den ganz forschen Autobahn-Planern in den Raum gestellt werden könnte, was in Wirklichkeit aber an der Unzweckmäßigkeit des Ganzen nichts ändert.

Weitere Argumente: Flächenverbrauch, Lärm, Gesundheitsregion?

  • Der Flächenverbrauch für eine Autobahn wäre sehr hoch. Die Bodenversiegelung sollte ein Ende haben. Auch der Transitlärm ist ein eigener Problemfaktor.
  • Eine wuchtige Transitroute in die Landschaft zu legen, würde Konzepten für Gesundheits- und Erholungstourismusregionen entgegenstehen
  • Wie für jede Variante zu erwarten ist auch bei der jetzigen „Europaspange“ ein Teil des Waldviertels nicht oder kaum einbezogen, konkret das südliche Waldviertel und das nördlichste Waldviertel. Dabei hätten die Bezirkshauptstädte Gmünd und Waidhofen an der Thaya am meisten Nachholbedarf

Vorsichtige Kostenschätzung

Laut dem Rechnungshof hat der Kilometer bei der Umfahrung Zwettl - als Bundesstraße -  durchschnittlich 15 Mio. Euro gekostet. Sehr vorsichtig geschätzt würde eine Waldviertelautobahn in welcher Form auch immer kaum unter 20 Millionen €/Km kosten. Bei einer Strecke Freistadt-Hollabrunn von ca.  150 Km würde das mindestens. 3 Milliarden €, wobei zukünftig höhere Preise gar nicht berücksichtigt sind, und auch die Erhaltung ein eigenes Thema wäre. Warum wurden Regionalbahnen um vergleichsweise wenig Geld nicht saniert, während hier öffentliches Geld offenbar keine Rolle spielt?

Für die  Instandsetzung der Donauuferbahn im südlichen Waldviertel will das Land übrigens gerade keinen € ausgeben, obwohl diese nur mit wenigen Millionen € zu bewerkstelligen wäre und 100000 bis 300000 t Transportpotential existiert

 

Welche Effekte haben unterschiedliche Verwendungen unserer Steuergelder?

Weyerstraß (2012) untersuchte, welche gesamtwirtschaftlichen Wirkungen durch unterschiedliche öffentliche Investitionen erzielt werden können. Die Ergebnisse zeigen, dass bei einer Erhöhung der realen Bildungsausgaben je Einwohner um ein Prozent das reale Bruttoinlandsprodukt je Einwohner langfristig um 0,54 Prozent zunimmt, bei Forschungsausgaben um 0,37 Prozent, bei den Infrastrukturinvestitionen des Bundes um 0,34 Prozent auf, und bei Investitionen der ÖBB um 0,24 Prozent. Die Infrastrukturausgaben beim Autobahnbau der ASFINAG  haben dagegen im Vergleich die geringste Wirkung auf die Wirtschaft, nur 0,08 Prozent (WEYERSTRASS 2012, S. 8). D. h. Bildung hat die günstigsten Wirkungen auf die Wirtschaft; und ein Bahnausbau übertrifft den Autobahnbau um ein Vielfaches. Sollten wir öffentliches Geld nicht möglichst effektiv verwenden?

 

Was soll wirklich getan werden

Das allgemein Positive an der jetzigen Diskussion könnte sein, dass im Waldviertel nach vielen Jahren über die wirklichen Ursachen der unzureichenden Infrastruktur und wieder über eine eigenständige Entwicklung, aufgebaut auf den Stärken der Region – wie nach dem Aufbruch in den 80er Jahren, der mit dem Namen Adi Kastner verbunden ist - geredet wird, und dann auch gehandelt wird.

Der erste wesentliche Punkt ist: ja es soll in Verkehrsinfrastruktur investiert werden, aber vor allem in eine schnellere und bessere Franz-Josefsbahn, die PendlerInnen rasch an alle U-Bahnlinien, den Hauptbahnhof und den Flughafen heranführt. - Einzelne Straßenumfahrungen, und einzelne dreispurige Überholstrecken – wie sie jetzt etwa zwischen Horn und Brunn gebaut werden, könnten erwogen werden. Im Prinzip ist Straßeninfrastruktur um viel Geld entsprechend ausgebaut.

Der Ausbau der FJB als wirklich schnelle, attraktive und angenehme Verbindung in den Wiener Zentralraum würde - mit grob einer Milliarde € - samt Zubringersysteme weniger als ein Drittel dessen kosten, was ein Betonband Freistadt-Hollabrunn an Bau- und Erhaltungskosten verschlingen würde.

Der zweite wesentliche Punkt ist, dass von den drei Milliarden, die sehr vorsichtig geschätzt offenbar mindestens für eine Autobahn oder „Europaspange“ im Raum stehen, für das Waldviertel zumindest eine weitere Milliarde (eine „Waldviertelmilliarde“) z. B. für Breitband-Datennetzverbesserungen,  die  Unterstützung von Klein- und Mittelunternehmen und überhaupt zur Förderung einer angepassten nachhaltigen Entwicklung verwendet werden soll.

 

Wie weiter

Das Verkehrs- und Regionalforum Waldviertel fordert die Offenlegung aller Studien, und die  Möglichkeit über Alternativen zu neuen Betonschneisen breit zu diskutieren. Die BürgerInnenmitsprache aufgrund ehrlicher Informationen soll unbedingt gewährleistet sein.

Dr. Dr. Josef Baum, Obmann Verkehrsforum Waldviertel

 

[1] Nach der Konsumerhebung 2004/05Statistik Austria. Siehe: Deußner Reinhold, Neugebauer Wolfgang: Räumliche Aspekte der Mobilität – Pendlerinnen zwischen Stadt und Peripherie. Wirtschaftspolitischen Blätter 1/2015 S.74

[2] Nach PENDO 2010. Siehe: Reinhold Deußner/Wolfgang Neugebauer: Räumliche Aspekte der Mobilität – Pendlerinnen zwischen Stadt und Peripherie. Wirtschaftspolitischen Blätter 1/2015 S.74

[3] Gstinig Karolin, Kirschner Eric, Prettenthaler Franz: Mobilität und regionale Arbeitsmärkte. Wirtschaftspolitischen Blätter 1/2015 S.79

[4] Gstinig Karolin, Kirschner Eric, Prettenthaler Franz: Mobilität und regionale Arbeitsmärkte. Wirtschaftspolitischen Blätter 1/2015 S.80

[5] Gstinig Karolin, Kirschner Eric, Prettenthaler Franz: Mobilität und regionale Arbeitsmärkte. Wirtschaftspolitischen Blätter 1/2015 S.80

[6] Gstinig Karolin, Kirschner Eric, Prettenthaler Franz: Mobilität und regionale Arbeitsmärkte. Wirtschaftspolitischen Blätter 1/2015 S.78