Memorandum
Memorandum zum Öffentlichen Verkehr im Waldviertel
Stand Mai 2016 - Neufassung aus Anlass der „Fahrplandialoge“ 2016
Dr. Dr. Josef Baum, Kleinzwettl; Obmann Verkehrs- und Regionalforum Waldviertel www.josefbaum.at
Das Memorandum wird vom VERKEHRS UND REGIONALFORUM WALDVIERTEL (ehemals Thayatalbahnverein) unterstützt, das sich speziell mit Anliegen des öffentlichen Verkehrs im nördlichen Waldviertel aus Sicht der betroffenen Menschen beschäftigt und sich auch als eine Interessensvertretung der NutzerInnen des öffentlichen Verkehrs in der Region versteht
Öffentlicher Verkehr im Waldviertel nur in Ansätzen- grundlegende Wende notwendig
Es ist allgemein gekannt, dass es im Waldviertel mit Ausnahme des SchülerInnenverkehrs den öffentlichen Verkehr nur in Ansätzen gibt. Hier ist eine grundlegende Wende notwendig, die auch Umschichtungen in den öffentlichen Budgets erfordert
Es kommt nicht von ungefähr, dass etwa der Bezirk Waidhofen/Thaya zwar zu den niederösterreichischen Bezirken mit den niedrigsten Einkommen (und der höchsten Abwanderungsrate) zählt, aber gleichzeitig die höchste Motorisierung aufweist. Weil es eben den öffentlichen Verkehr nur in Ansätzen gibt, haben viele Leute keine Alternative und sind zur teuren Mobilität gedrängt.
Es gibt einzelne Ansätze für attraktive Angebote, wie die Wiesel-Busse, aber auch Neuerungen wie das WA-Bussystem, das aber leider wenig als System durchdacht ist, und daher auch wenig genutzt ist. Dabei besteht die Gefahr, dass es durch die Konstruktionsfehler bei einem Auslaufen des WA-Systems überhaupt Mittel für den öffentlichen Verkehr verloren gehen.
Zu fordern ist eine Transparenz aller Kosten und eine wesentlich stärkere Einbindung der Betroffenen bei den Kursgestaltungen.
Aber auch mit den vorhandenen Mittel könnten sichtbare Verbesserungen erzielt werden
Gleichzeitig könnte aber auch mit den vorhandenen Mittel durch eine Verkehrsplanung, die diesen Namen verdient, deutlich günstige Effekte erzielt werden. Die im folgenden angeführten Beispiele sind nur einige Punkte, es gibt ein Vielfaches in allen Regionen des Waldviertels.
Eine der einfachsten Attraktivierungen für das gesamte System wäre die Umwandlung der Busleerfahrten in reguläre Buskurse. Es gibt eine erhebliche Anzahl von Busleerfahrten, so z. B. offensichtlich 3 auf der Linie Schwarzenau-Waidhofen. Überschlagsmäßig kann dadurch das Busangebot um etwa 10 % leicht ausgedehnt werden.
Abstimmung des öffentlichen Verkehrs sehr mangelhaft
Trotz wiederholter Eingaben und Versprechen ist die Abstimmung der Bus-Kurse und die Abstimmung von Bus und Bahn in sehr vielen Fällen völlig unbefriedigend:
Eine der bemerkenswertesten Mängel ist in Göpfritz anzutreffen. Göpfritz wäre ja ein natürlicher Waldviertel- Hub, wurde aber immer mehr degradiert:
Ein Beispiel:
Auf der Buslinie Wien-Litschau verkehren derzeit 5 Buspaare (Vergleiche: 11 Zugpaare gibt’s auf der Franz-Josefsbahn). Die Litschaubusse müssen wohl oder übel durch Göpfritz fahren, und könnten gute Umsteigemöglichkeiten bieten: Aber der Fahrplan sieht leider soaus:
Um 4:33 kommt ein Bus aus Litschau in Göpfritz an, gerade um 4:25 hat ein Zug Göpfritz Richtung Wien verlassen
Um 5:33 kommt ein Bus aus Litschau in Göpfritz an, gerade um 5:32 hat ein Zug Göpfritz Richtung Wien verlassen
Um 6:03 kommt ein Bus aus Litschau in Göpfritz an, gerade um 5:47 hat ein Zug Göpfritz Richtung Wien verlassen.
Um 14:03 kommt ein Bus aus Litschau in Göpfritz an, gerade um 13:49 hat ein Zug Göpfritz Richtung Wien verlassen
Um 18:01 verlässt ein Bus aus Wien Göpfritz , um 18:06 kommt ein Zug in Göpfritz aus Richtung Wien an.
Auf der Hauptstrecke nach Wien sollten keine unnötigen teuren Bus-Bahn Doppelgleisigkeiten finanziert werden: Statt die Linie Litschau-Wien zu fördern wären mehr Busse Litschau-Heidenreichstein-Waidhofen-Göpfritz mit effizienten Anbindungen an alle Züge von und ab Göpfritz in einem Taktverkehr wesentlich attraktiver, für viele auch billiger, und würden dem Bus-Unternehmen ähnliche Kilometerzahlen und Umsätze bringen. Ab Waidhofen könnten dann auch effektiv an Linien nach Kautzen und Dobersberg /Waldkirchen angebunden werden.
Nach der Einstellung des Personenverkehrs zwischen Waidhofen/T – Zwettl ist die Abstimmung der verschiedenen Busse auf der Strecke Waidhofen/T–Vitis-Zwettl unbefriedigend und trifft dutzende SchülerInnen täglich.
Die Verbindungen Horn-Waidhofen sind zwar nicht optimal, die Probleme ergeben sich dabei vor allem aus ungünstigen Anschlüssen in Waidhofen.
Ein besonderes Problem sind zum Teil ungünstige Anbindungen an den Schulstandort Karlstein.
Ein weiteres Beispiel der mangelnden Abstimmung: Bei einer Fahrt von Wien, ab 10:28 h Franz-Josefsbahnhof, an 12.19 h Schwarzenau; Bus ab 12:26 h Schwarzenau (nicht Sa und So), an 12:46 Waidhofen /T. Brunnerstraße, würde dort leider kurz vorher um 12:40- ein Bus nach Gastern (an Schultagen außer Mo) gehen. Hier ist Koordinierungsbedarf.
Auf die in den letzten Jahren dürftiger werdenden Anbindungen Göpfritz- Groß-Siegharts-Raabs sei hier nur allgemein hingewiesen.
Am Wochenende gibt es zwischen Göpfritz-Groß-Siegharts-Raabs überhaupt keine regulären Busverbindungen mehr. Ist dies der geplanten Tourismusentwicklung in Raabs förderlich?
Versprechungen bei der Einstellung der Bahn Schwarzenau-Waidhofen einhalten!
Bei der Einstellung des Bahn-Personenverkehrs Schwarzenau-Waidhofen wurde versprochen, dass Busse die Bahn ersetzen werden. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2012 fahren entlang der früheren Bahnstrecke Schwarzenau-Waidhofen Busse: Die Verbindungen Schwarzenau – Waidhofen sind wie befürchtet werktags auf 6, und am Wochenende auf nur mehr 4 in etwa halbiert worden.[1]
Die ebenfalls versprochene und offiziell gelobte Busverbindung Waidhofen-Göpfritz (WA 16) ist nach unattraktiven Ansätzen nicht ausgebaut, sondern eingestellt worden. Die letzte Anbindung von Waidhofen nach Wien gibt es nun um 19:05.
Nicht nachvollziehbar ist, dass es für den Zug nach Wien 7:49 ab Göpfritz keine Anbindung ab Waidhofen gibt. Ein Bus verlässt 7:45 Waidhofen und ist um 8:00 in Göpfritz
Die nach Einstellung der Zuglinie Schwarzenau-Waidhofen zunächst gebliebene Gültigkeit der Vorteilscard auf den (Ersatz)Bussen ist inzwischen abgeschafft. Somit kostet der Bus im Vergleich zum Zug auch doppelt so viel für Vorteilscardnutzer.
Somit ist die frühere öffentliche Bahnverbindung von Waidhofen über Schwarzenau nach Wien nicht nur zu weniger Zeiten existent, sondern noch unattraktiver und auch deutlich teurer. Wäre es nicht fair Versprechungen einzuhalten?
Soll das ein länderübergreifender öffentlicher Verkehr sein?
Auch bei der (grenzüberschreitenden) Busstrecke Raabs-Telc, auf der derzeit nur 2 Buspaare an nur 3 Tagen (nur am Wochenende, Freitag bis Sonntag) fahren, und die ja offiziell als Ersatz für die Thayatalbahn Schwarzenau-Slavonice angepriesen wird, gab es eine weitere Verringerung der kaum vorhandenen Attraktivität beim letzten Fahrplanwechsel. Fahrplanstruktur und Anbindungen sind schwer verstehbar: Da in Raabs der Busverkehr allgemein ausgedünnt ist, und am Wochenende überhaupt kein nennenswerter Busverkehr anzutreffen ist, gibt es von dort nur am Freitag Anbindungen an Göpfritz und damit Wien, und auch an diesem Tag mit zum Teil langen Umsteigezeiten.
Anbindungen über Dobersberg nach Waidhofen bzw. Schwarzenau und damit Wien bzw. Gmünd und Zwettl sind nur teilweise gegeben. Zunächst muss oft mehrmals – in Waidhofen/T. und Schwarzenau – umgestiegen werden. Nach Zwettl gibt es dabei meist sehr lange Wartezeiten. Die Anbindung ab Wien in Schwarzenau ist dabei im Vergleich gut, die Anbindung nach Wien in Schwarzenau ist wiederum am Freitag nur beim letzten Bus gegeben, an Samstagen und Sonntagen bei 2 Bussen, einmal wieder mit 24 Minuten Wartezeit. Auch nach Gmünd ist die Anbindung insgesamt ungünstig.
Es verwundert daher nicht, dass diese Linie wenig angenommen wird, und es ist daher falsch aus der unattraktiven Busfahrplangestaltung abzuleiten, dass es grundsätzlich wenig Nachfrage für einen länderübergreifendes Verkehrsaufkommen gibt.
Für echtes Anrufsammeltaxisystem
Das Anrufsammeltaxisystem im Bezirk Waidhofen war von der Absicht positiv, von der realen Durchführung aber realitätsfremd, sodass es eben fast nicht (mehr) genutzt wird. Insbesondere hätten auch Fahrten ZWISCHEN den Gemeinden möglich sein sollen. Derzeit wird pro Woche nur mehr eine Fahrtmöglichkeit von Bahnhof Göpfritz (am Freitag abend) und eine und zum Bahnhof Göpfritz (Sonntag früher Abend) angeboten (und zwar jeweils nach Dobersberg-Kautzen und nach Großsiegharts. Dieses System wäre kundenfreundlich auszubauen. Zumindest wären die früheren Möglichkeiten im Raum Waldkirchen-Dobersberg, die abgeschafft wurden, wiederherzustellen.
Ist das System des öffentlichen Verkehrs insgesamt im Waldviertel sehr mangelhaft, so ist es dies im besonderen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Diesen wird de facto das Recht den öffentlichen Verkehr zu nutzen, nicht eingeräumt.
An manchen wichtigen Orten wie etwa Waidhofen/T. gibt es für PendlerInnen, die mit dem Rad zur Busabfahrt kommen, und dort das Rad (länger) stehen lassen wollen, keine Angebote an Abstellanlagen.
Versprochene Anbindung des Waldviertels an die Hochleistungsstrecke realisieren!
Die seit Jahren angekündigte direkte Anbindung des Waldviertels an die Hochleistungsstrecke im Tullnerfeld bzw. so an den Westen bzw. Süden Wiens wurde als große Verbesserung dargestellt. Real gekommen ist – auch mit Umsteigen in Absdorf - weder eine schnelle Anbindung an den Westbahnhof noch an den Hauptbahnhof.
Vom Waldviertel über Tulln und Tullnerfeld nach Westen muss derzeit zweimal umgestiegen werden, um zur attraktiven Hochleistungsbahn zu kommen. Die Wartezeiten sind dabei meist sehr unattraktiv. Nur 2 Kurspaare führen von Absdorf nach Tullerfeld, das aber mit immerhin nur 12 Minuten, was zeigt was möglich wäre. In der Praxis werden für diese Züge Absdorf- Tullnerfeld allerdings wiederholt Verspätungen gemeldet, sodass erst recht auch mit diesen zwei Paaren kaum eine sinnvolle Anbindung gegeben ist
Somit hat das Waldviertel von den Milliarden der Investitionen in die Hochleistungsstrecken bis dato nichts (und auch umgekehrt die Frequenz an der Hochleistungsstrecke wird von Kunden aus dem Waldviertel nur wenig profitieren). Mit etwas Willen könnte man hier ohne besondere Kosten viel an ÖV-Attraktivität erreichen.
Gegen Auflassung der Linie Waidhofen-Schwarzenau
Explizit protestiert werden muss gegen das derzeit nur unterbrochene Einstellungsverfahren der Linie Waidhofen-Schwarzenau, auf der zumindest noch Güterverkehr möglich wäre. Die komplette Auflassung dieser Linie, die bald auch den Schienenabbruch auf diesem Streckenabschnitt der Thayatalbahn nach sich ziehen würde, hätte zur Folge, dass eine etwaige Wiederinbetriebnahme sich nach den letzten Vorschriften zu richten hätte oder eine Vervielfachung der Kosten bringen würde.
Die Auflassung dieses Abschnitts würde eine deutliche Verringerung der Standortqualität für die Bezirksstadt Waidhofen/T. bedeuten, die als eine von nur sehr wenigen Bezirksstädten nun auch einen absoluten Bevölkerungsrückgang aufweist.
Kernfrage ist Attraktivierung der Franz-Josefsbahn als Rückgrat
Nur grundsätzlich erwähnt wird hier die notwendige Attraktivierung der Franz-Josefsbahn als Rückgrat des öffentlichen Verkehrs im Waldviertel. Da es real Pläne zur weitgehenden Einstellung des Verkehrs ab Sigmunds-Herberg gibt, ist das die wichtigste Herausforderung.
Klar ist, dass durch die Einstellung aller Nebenbahnen im Waldviertel – außer der Kamptalbahn, wobei allerdings auch diese immer wieder vor der jetzigen Verbesserung in Frage gestellt wurde - auch die Hauptstrecke angegriffen wird: ein Stamm, der seiner Äste beraubt wird, kann nicht gedeihen.
Die schon existierenden Busse direkt entlang der Hauptstrecke – statt Zügen - nach Gmünd unterminieren jedenfalls die Existenz der Franz-Josefsbahn, sind Mehrfachstrukturen der Bahn geschuldet und ergeben letztlich weder umweltmäßig noch gesamtwirtschaftlich Sinn.
Wenn man das radikale Zurückfahren des Frachtverkehrs auch im Waldviertel ansieht, dann ist das insgesamt ein noch größeres Problem als die vielen (nicht notwendigen) Unzulänglichkeiten im öffentlichen Personenverkehr. Es zeigt ebenso die notwendige Wende zu einer menschen-, klima- und umweltfreundlichen Verkehrs- und Tranportpolitik auch im Waldviertel auf.
1] Auch der Schalterbetrieb wurde in Schwarzenau eingestellt , auf dem früheren Bahnknotenpunkt, der einmal sogar „Hauptstadt“ des Waldviertels werden hätte sollen.