Redebeitrag Dr. Dr. Josef Baum bei der Kundgebung 31.3.2016
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Eine mindestens fünffach unakzeptable Vorgangsweise - Die Entscheidung, kann, soll und wird revidiert werden
Redebeitrag Dr. Dr. Josef Baum bei der Kundgebung anläßlich der ungerechtfertigten Schließung von Gyn+ Geburtshilfestation in Waidhofen/T. 31.3. 2016 (leicht erweitert, aus Gedächtnis)
Ich rede hier jetzt als erster, weil andere Vorgesehene zur Zeit noch nach dem Besuch der gerade in Auflassung begriffenen Station noch zu betroffen sind. Heute war ein wichtiger Tag für die Zukunft der Region: die Landesholding gab über die Bezirksblätter das Ergebnis eines Gutachtens bekannt, auf das lange gewartet wurde.
Die Vorgeschichte: Ursprünglich hätte die Schließung überfallsartig erfolgen sollen, doch durchgesickerte Infos führten zur großen eindrucksvollen Demo von über1500 zum Erhalt der Gyn+ Geburtshilfestation im Oktober. Danach glaubten einige Obere, dass bald Gras über Sache wachsen werde. Doch wir haben ein Video produziert und ein Memorandum (mit 17 Seiten) ausgearbeitet, dass alle Pseudo-Argumente für die Schließung entkräftet. Das Bürgerforum im Feber mit über 400 engagierten TeilnehmerInnen zeigt in nicht zu überbietenden Klarheit den Willen der Region und entzauberte die Herren der Holding und der Landesregierung. Das führte schließlich zu einem Gespräch mit dem Landeshauptmann Anfang März, bei dem dieser eine neuerliche Prüfung der geplanten Schließung durch unabhängige Experten bis Mitte März zusagte.
Eine fünffach unakzeptable Vorgangsweise
- Die Bekanntgabe des Ergebnisses dieser „Prüfung“ wurde nun seither dreimal verschoben, und auch das erfuhr man nur über Nachfrage; von Entschuldigung für Verschiebungen gar nicht zu sprechen.
- Schließlich wurde erst heute just am letzten Tag der vorläufigen Existenz dieser großartigen Einrichtung, der viele tausende im wahrsten Wortsinn ihr Leben verdanken, das Ergebnis der „Prüfung“ bekannt gegeben.
- Und die Bekanntgabe erfolgte nicht über eine persönliche oder schriftliche Benachrichtigung, sondern über eine Mitteilung an ein Medium. Traut man sich das nicht persönlich sagen? Hat man Angst vor Nachfragen?
- Was wiederum mitgeteilt wurde, sind nur einige Sätze einer bekannten einseitigen Expertenmeinung, die der umfassenden wissenschaftlichen Evidenz nicht Stand hält. Für diese Aussagen hätte man nicht 4 Wochen brauchen müssen.
- Das Gesamtergebnis der Prüfung, falls es ein solches gibt, wurde nicht veröffentlicht. Warum eigentlich? Ja es wurde sogar gesagt, die Bürgerinitiative habe gar keinen Anspruch darauf!
Ist das ein Umgang mit besorgten BürgerInnen? Hat sich die Region, die es nicht leicht hat, so einen Umgang verdient? Ist das ein anständiges Benehmen? Ist das nicht eine absolut unakzeptable Vorgangsweise?
Im nachhinein wird klar, warum Nachfragen, wer welche „Prüfer“ beauftragt hat, nicht beantwortet wurden, es wäre ja fair gewesen, dass Betroffene das wissen. In der Pressemitteilung heißt es nämlich, dass die Holding selbst die Frage gestellt hat. Und Faktum ist, dass die Prüfer jedenfalls die Geprüften in Waidhofen gar nicht befragt haben, und offenbar nur - nichttransparente - Unterlagen der Holding vorliegen hatten. Fair wäre es gewesen, wenn – wie bei jedem Schiedsgericht – beide Seiten sich auf Prüfer einigen und die Frage gemeinsam formulieren. In Zukunft ist jedenfalls Blauäugigkeit nicht mehr angebracht. - Bitte jedenfalls Karten auf den Tisch: Wer hat die Prüfer ausgesucht? Für eine sofortiges Veröffentlichung des gesamten „Gutachtens“!
Beim Bürgerforum wurde eindrucksvoll klar: wirtschaftlich bringt die Schließung auch laut Zusperrer bis auf weiteres nichts, weil ja in Zwettl einmal dafür neu investiert werden muss. Es ist von den Zusperrern nur von der Sicherheit und Qualität der Behandlung der Frauen die Rede. Aber selbst die Zusperrer bescheinigten der Gyn+ Geburtshilfestation höchste Qualität. Die Logik, warum daher zugesperrt werden muss, ist offenbar nicht vorhanden, und kann offenbar auch von Gutachtern, die die Vorortlage nicht erheben, nicht zurechtgezimmert werden.
Ein wirklich plausibler Grund für die nicht nachvollziehbare Vorgangsweise ist folgender: Es gibt wahrlich viele Probleme im Gesundheitswesen, es herrscht Handlungsbedarf. Die Schließung ist eine Alibihandlung, um Handlungskompetenz zu demonstrieren, leider aber am falschen Ort.
Hier geht es auch nicht um einen Pimperlzug, es geht um Fragen von Leben und Tod, und um das Leben der Region in Zukunft. Es ist klar geworden, dass die ungerechtfertigte Schließung ein regionaler Dammbruch ist, und es geht weiter. Gerade sind ja wieder die Finanzämter im Brennpunkt von Schließungen. Was früher Waldviertel-Regionalmanager hieß – erinnern wir uns an die fast schon legendären Tätigkeiten von Adi Kastner oder Josef Leichtfried – heißt jetzt treffenderweise BÜROLEITER. Die NÖG, die Grenzlandgesellschaft, die eben zur Förderung des Grenzlandes diente und dienen sollte, ist auf der unmittelbaren Abschussliste. Es muss auch nicht alles bleiben wie es ist; im Gegenteil es soll sich viel verändern, es kann auch sinnvoll zusammengelegt werden. Aber die seit längerem andauernde simplen Abbau- und Zerstörungsmassnahmen von öffentlicher Infrastruktur im Waldviertel (Bahn, Post, Polizeistationen usw), die seit Beginn der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise verstärkt wurden, ergeben keinen gesamtgesellschaftlichen Sinn, und für die Leute hier schon gar nicht.
Ich denke, dass es nach dieser Brüskierung an der Zeit ist, Konsequenzen zu ziehen. Eine Möglichkeit wäre die einer Regionalpartei. Ich glaube, auch dass es für die Region besser wäre, wenn sich die regionalen Organisationen der Regierungsparteien abkoppeln und selbständig machen, um die Interessen der Region besser vertreten zu können. - Eine Möglichkeit gegen die Schließung eine Stimme abzugeben, besteht schon demnächst bei der Bundespräsidentenwahl, wenn ich auch glaube, man braucht niemanden zu sagen, was zu tun ist.
Das Verkehrsforum wird sich jedenfalls auch deswegen morgen in einer Jahresversammlung in diesem Sinn voraussichtlich in „Regional- und Verkehrsforum“ umbenennen und in Zukunft danach streben, dass das Waldviertel durch die Regierungsparteien nicht völlig unter die Räder kommt. In diesem Sinne laden wir alle zur Mitarbeit ein.
Natürlich sind viele hier heute enttäuscht, viele sind einfach traurig oder auch zurecht allein über die Vorgangsweise empört. Aber fast nichts ist unumkehrbar, auch diese von der Vorgangsweise und inhaltlich und gegen die Bevölkerung gerichtete Entscheidung, kann, soll und wird – früher oder später revidiert werden, wenn wir dran bleiben und zusammenhalten. Und dieser laue Frühlingsabend kann auch in die Geschichte des Waldviertels eingehen, wenn das der Start für ein Bewusstwerden dafür ist, dass wir das einfach nicht mehr hinnehmen, und wenn es auf dieser Basis ein neues Miteinander in der Region jenseits aller sonst trennenden Hintergründe gibt. Immerhin ist die Region einmal aufgestanden. Zwei Drittel des Bezirks haben unterschrieben, es gab wahrscheinlich die größte Demo in der Geschichte hier. Nutzen wir das Gesetz von der Erhaltung der Energie. Behalten wir diese Energie im Zusammenstehen gegen oben. Lassen wir uns auch nicht ablenken durch Schuldzuweisungen an noch Schwächere wie Flüchtlinge. Alle Menschen haben dieselbe Würde, das gilt für WaldviertlerInnen und eben überall.