Land NÖ versinkt tief in verfehlter Verkehrspolitik

Die am 19. Mai veröffentlichten Pläne, eine Autobahnspange aus dem Raum Freistadt über das Waldviertel in den Raum Wien zu bauen, widersprechen dem Regierungsübereinkommen und der Verfassung, sind ein Schildbürgerstreich und schädlich für die Region:

  • Dies wäre die erste Autobahn Mitteleuropas, die nur lokale Erschließung betreibt und keine Funktion im mitteleuropäischen Verkehrsnetz hat: warum soll jemand von Linz nach Wien über Weitra fahren? Streckenweise ist eine Auslastung von nur ca. 3000 Fahrzeugen pro Tag zu erwarten – dieser Wert wird auf mittlerweile sogar auf den legendär leeren Autobahnen Nordkoreas bereits erreicht.
  • Die Waldviertler Wirtschaft wird durch die km-abhängige Streckenmaut für Nutzfahrzeuge mit enormen Mehrkosten belastet, die es Handwerksbetrieben unmöglich machen werden, im Wiener Raum kostendeckende Preise anzubieten – oder sie werden weiter die Bundesstraße benützen.
  • Alleine die Baukosten betragen (bei zum Bauzeitpunkt anzusetzenden 27 Millionen € pro km) bei 180 km Strecke fast 5 Milliarden €, das sind mehr 1700 € pro ÖsterreicherIn. Das zahlt vielleicht eine Waldviertler PendlerIn gern, aber die 95% der Haushalte, die hier nie fahren werden, müssen das auch zahlen, und die WaldviertlerInnen müssen z.B. den Brennertunnel und viele andere Straßen, auf dem sie nie fahren werden, auch mitzahlen – das ist mitzubedenken. Zu Grunde gelegte Zahlen: Reine Baukosten in der Periode 2020-2025 inkl. Planung und Koordination und Konfliktmediation, Grundeinlösung, Absiedlung, Lärm- und Wildschutz, Aufwand in der Verwaltung, Errichtung der Zubringer/Auffahrten, Brücken, Nebenwege, Bundesstraßenumleiter, Instandhaltungstechnik, Telematik und Mauterfassung und Telematik für autonome LKW: 27 M€/lfd.km (Preisbasis 2018, Erhöhung der Preise ist durchaus möglich). Dass Straßenbau bei Waldviertler Landschaften nicht billig ist, beweist die Umfahrung Zwettl, deren reine Baukosten – und das ist keine Autobahn - die Marke von 10 M€/km (2014-16) überschritten haben. Das bewegte Relief, der Granitboden, die Notwendigkeit, wertvolle Naturstandorte aufwändig vor dem Schlimmsten zu schützen und der hohe mit Lärmschutz zu versehende Streckenanteil verteuern den Preis.
  • Dabei gibt es nur ca. 000 potenzielle regelmäßige Benutzer. Dazu kommt ein Defizit aus dem laufenden Betrieb. Auch WaldviertlerInnen, die nie nach Wien fahren, werden nun ein Autobahnpickerl benötigen. Dazu kommen die lange Zeit schwer unterschätzten Folgekosten regelmäßiger Erneuerung von Belägen, Brücken, Tunneln und Telematikinfrastruktur. Die Streckenführung ist im Abschnitt Weitra-Wien  in direkter Konkurrenz zur Bahn, so dass die Bahn, wenn sie die Fahrgastzahlen halten will, gezwungen sein wird, ca. 700 M€ in Streckenbeschleunigung zu investieren – oder man lässt die Bahn zwischen Gmünd und Sigmundsherberg auf.
  • Der Wiener Zentralraum ist nicht imstande, auf Nordbrücke und Südosttangente zusätzliches Verkehrsaufkommen aufzunehmen! Sogar die nicht mehr erweiterbare Stockerauer Autobahn würde zur Stoßzeit überlastet. Die Erfahrung der Nordautobahn und viele andere zeigen aber, dass Autobahnen die Verkehrsbelastung zu Spitzenzeiten extrem erhöhen.
  • Das unter Pröll eingeführte Transit-LKW-Verbot auf der Achse Neunagelberg-Wien ist nach einem Autobahnbau nicht mehr aufrecht zu erhalten. Da der LKW-Verkehr seit Einführung des Verbots stark angestiegen ist, wäre der zusätzliche Fahrstreifen pro Fahrtrichtung von Anfang an durch LKWs gleich wieder zugestaut.
  • Für den Autobahnbau muss ein Grundstreifen von über 100 m Breite angekauft und dauerhaft außer Nutzung gestellt werden. Weitere 1800 ha Land (inkl. Auffahrten über 2000 ha) werden auf Dauer der land- und forstwirtschaftlichen Produktion entzogen.
  • Auch bei intensiver Lärmschutzverbauung sind Tausende Menschen an ihren Wohnorten vom Lärm betroffen.
  • Der Plan widerspricht dem Gebot, öffentliche Mittel sparsam und zweckmäßig einzusetzen und steht dadurch im Widerspruch zur NÖ Landesverfassung.
  • Österreich kann seine verpflichtenden Klimaschutzziele nur einhalten, wenn die derzeit immer noch steigenden Verkehrsemissionen drastisch reduziert werden. Bei weiteren Anreizen zur Nutzung von PKW und LKLW und zur Erhöhung der durchschnittlichen Fahrgeschwindigkeit wird dieses Ziel völlig illusorisch. Dies würde natürlich auch schon beim Bau einer Schnellstraße gelten.

LH Mikl-Leitner gibt selbst zu, dass das Projekt scheitern muss, wenn die Bevölkerung sich genug aktiv zur Wehr setzt. Laut Kurier vom 20.5.2018 sagte sie: „Nur wenn diese Vision von der Region mitgetragen wird, kann die Umsetzung auch erfolgreich in Angriff genommen werden“. Man kann also etwas dagegen tun!

Bernhard Schneider