Gerald Hohenbichler zur letzten Fahrt des VINDOBONA am 13.12.2014:
Zuerst von der Franz-Josefs-Bahn weg und nun gar keine Direktverbindung Wien-Berlin mehr
Am Samstag, den 13. Dezember 2014, gingen 60 Jahre der Eisenbahngeschichte zu ENDE - und zwar der legendäre VINDOBONA-Express:
Der VINDOBONA war die meiste Zeit auf der Stammstrecke der Franz-Josefs-Bahn als Paradezug unterwegs und dies im Schatten des "Eisernen Vorhang", was das Symbol der Verbindung zwischen Menschen über Grenzen, Ideologie und politische Systeme hinweg darstellt.
In den letzten 22 Jahren fuhr der VINDOBONA zwischen Wien und Prag über Brünn und wurde darüber hinaus in Verlängerung nach Hamburg einerseits bzw. Villach andererseits geführt.
Es ist bedauernswert, das im Zeitalter des zusammenwachsenden Europa sowie bei steigender Mobilität mit gleichzeitig zunehmender Umweltbelastung (Airlines, PKW, Busse) das einst weitverbreitete Eisenbahn-Netz im Angebot von direkten, servicefreundlichen Verbindungen in sich zusammenbricht.
Den letzten Zug des EC 173 Vindobona, der Wien am Abend des 13.12.2014 Richtung Villach verließ, habe ich angeschaut und mich von unserem Mitstreiter Paul Wimmer fotografieren lassen, bei dem ich mich recht herzlich bedanke. Gleichzeitig soll mit der Aktion der Ausdruck verstärkt werden, sich in der Intensivierung der Bestrebungen von der IPFJB wieder die FJ-Bahn in den internationalen Verkehr einzubeziehen. Dabei soll dies nicht als Konkurrenz- sondern als Ergänzungstrecke zum Korridor 1 gesehen werden.
Eher noch an Vision grenzt das im Anhang befindliche Zuglaufschild über Neubaustrecke Horn in der durchaus realistischen Destination Hamburg-Berlin-Prag Wien-Budapest. Statt dessen verkehrt seit heute Sonntag der Vindobona-Nachfolger EC-Zug "Porta Bohemica" von Hamburg-Berlin-Prag-Brünn über Preßburg/Bratislava nach Budapest - jenseits der March an Österreich (NÖ u. Wien) vorbei.
Was sagte Wien's Bgm. Michael Häupl im Jahre 1995 wort-wörtlich: "Der Zug darf nicht an Wien vorbeifahren!" Doch nun, 25 Jahre nach dem politischen Umbruch, ist es soweit - DANKE werte Politiker (aller Fraktionen )und ÖBB-Manager der vergangenen zwei Jahrzehnte.
Wäre es nach einem ÖBB-Papier aus dem Jahr 1990 gegangen, würde man von damals an mittelfristig, bei mäßigen Ausbau der FJ-Bahn, seit 2000 schon in dreieinhalb Stunden von Wien nach Prag gelangen - aber die Verkehrspolitiker/-planer haben das verschlafen. Stattdessen verfliegen Milliarden in sinnlose Prestige-Tunnelprojekte und in die Banken-Rettung verspekulierter Steuergelder.
Wenngleich die Zeit früherer Jahrzehnte mit der geänderten Mobilität (Motorisierung; Globalisierung) und dem Markt (Billig-Airlines) auf längeren Strecken nicht mehr vergleichbar ist, möchte ich einen historischen Vergleich anstellen.
So fuhr einstmals der legendäre Orient-Express von Paris über München- Wien-Budapest-Bukarest-Sofia bis nach Konstantinopel, das heutige Istanbul. Zur Zeit meines Antritts in den Bahndienst anfangs der 1980er-Jahre fuhr der Orient-Ex wenigstens noch als Ganzzug von Paris bis Wien mit einzelnen Kurswagen nach Budapest-Bukarest, sowie die beiden Express-Züge "Mozart" und Arlberg-Express. Heute gibt es gar nichts mehr in dieser Destination. Sogar der MOZART-Express, ein Tageszug Wien-Paris, existiert nicht mehr. Es ist lediglich ein RaiJet Wien-München geblieben, dann muss man umsteigen nach Straßburg und dort in den französischen HG-TGV.
Noch trauriger die Destination Wien-Prag-Berlin, in der auch die Franz-Josef-Bahn eine Rolle spielt.
Gab es vor über 100 Jahren zwei Schnellzüge auf der Nordbahn zwischen Wien und Berlin, so stieg die Zahl mit der Errichtung der um 54 Km kürzeren FJ-Bahn auf bis zu sechs Verbindungen nach Berlin und noch drei nach Prag an. So wurde die FJB innerhalb von zwei Jahren zweigleisig von Wien bis Gmünd ausgebaut, wo die Gabelung der Strecken nach Budweis-Pilsen-Eger und Tabor-Prag erfolgt.
Im Schatten des Eisernen Vorhang fuhr der Paradezug "Vindobona" auf der FJ-Bahn und verband die drei mitteleuropäischen Metropolen Berlin-Prag-Wien. Auch der Nachtzug "Sanssouci" verblieb in dieser Epoche als Kurswagen-Verbindung und feierte nach dem politischen Umbruch für kurze Zeit seine Wieder-Auferstehung. Heute ist nichts mehr von dem übrig.
Das besonders interessante ist, es gibt keine andere Destination in Europa, wo drei Hauptstädte auf einer so kurzen Streckenentfernung von nur 700 Km zueinander liegen. Der VINDOBONA nahm entgegen jahrelangen Trends im europäischen Bahnverkehr keine Kürzungen, sondern wurde sogar ausgedehnt. Nach der Verlegung von der FJB auf die Nordbahn wurde dieser zunächst um die Verbindung des Zuges "Porta Bohemica" von Berlin nach Hamburg erweitert. Seit dem Abriss des Wr. Südbahnhof und Bau des neuen Hauptbahnhof fährt der Vindobona mangels Kapazitäten an betrieblichen Anlagen bis Villach.
Doch nun kommt die traurige Entwicklung: 21. Jahrhundert....
Ab Dezember dieses Jahres ist der VINDOBONA ebenso Geschichte wie viele andere Expresszüge Europas. WIEN verliert ab diesem Zeitpunkt seine einzige Tagesverbindung nach Berlin und das Verbindungsnetz schrumpft auf die zwei Hauptstädte Prag-Wien zusammen. Von da an fahren im Zwei-Stundentakt die gemeinsamen RailJet-Züge der ÖBB/CD zwischen Prag-Wien (-Graz). Die Ausdehnung nach Graz stellt keine wirkliche Verbesserung für Reisende dar, sondern ist nur rein eine betriebswirtschaftliche Massnahme der ÖBB durch den Wegfall in Wien endender Züge von Prag und gleichzeitiger Bereitstellung abfahrender Inlandszüge nach Graz. Reisende nach Berlin müssen künftig in Prag umsteigen und eine Stunde warten, sofern nicht ein Anschlußzug ist.
Statt der Schrumpfung der Verbindung der Destination (Hamburg-) Berlin-Prag-Wien auf nur noch zwei Metropolen hätte sich die historische Chance geboten - seit der Anbindung der FJ-Bahn an die HL-Westbahn und im Hinblick auf den Hauptbahnhof - die Verbindung in die auch nicht allzu weit entfernte ungarische Hauptstadt Budapest auszudehnen. Somit wären in nicht einmal 1000 Km Entfernung vier mittel- und zentraleuropäische Haupstädte Berlin-Prag-Wien-Budapest verbunden gewesen.
Doch diese einmalige Chance auf die Renaissance der Eisenbahn im 21. Jahrhundert wurde Dank des Kommerz der europäischen Bahnverwaltungen verpasst. Eine sehr traurige Entwicklung entgegen dem Zeitalter der Monarchie, wo die Eisenbahn ein Symbol der Verbindung und Brücke von Menschen, Zeit und Natur war.