Perspektiven der Regionalentwicklung im Waldviertel – Mögliche regionalpolitische Maßnahmen (Kurzfassung)
Dr. Dr. Josef Baum; Ökonom und Geograph an der Universität Wien; vorher am Österreichischen Institut für Raumplanung; Obmann Verkehrsforum Waldviertel; Mitveranstalter der Volksuniversität Andreas Schrembser
Regionsexterne Entscheidungsstrukturen gewannen und gewinnen auf verschiedenen Ebenen (Industrie, Banken, Medien, Handel, Politik) auch im Waldviertel deutlich an Gewicht. Der aktuelle für das Waldviertel unvorteilhafte bundes- und landespolitische Rahmen ist, dass es eine nennenswerte differenzierte Regionalpolitik praktisch nicht mehr gibt. Niederösterreich ist ein Land mit „zwei Geschwindigkeiten“ ohne Gegensteuerung geworden, wobei sich aus einem „zu viel“ im Wiener Umland und aus einem „zu wenig“ in Problemgebieten spiegelverkehrte Probleme, aber doppelte Kosten ergeben. Bedenklich können Diskurse zur „Gestaltung der Schrumpfung“ („Geordneter Rückzug“) werden. Ein Grundproblem ist die überproportionale Agrarorientierung der Regionalpolitik, die den heutigen Strukturen nicht einmal mehr in den Dörfern mehr gerecht wird. Da die Abwanderung junger Frauen deutlich höher ist, ist die geschlechterspezifische Dimension in der Regionalpolitik zu gestalten. Wichtige Orientierungen sollten auch die Stärkung der Bezirksstädte und anderer vergleichbarer Städte als Entwicklungspole gerade in Problemregionen, eine klare - reale -grenzübergreifende Dimension der Regionalpolitik oder innovative Verkehrslösungen mit einem öffentlichen Verkehr als Rückgrat sein.Eine regionale Energiepolitik soll wirklich sozialökologisch sein, d. h. bezüglich Tarife usw. sozial.
Es mag einfach klingen: Die Menschen („Humankapital“ und “Sozialkapital“) sind das wichtigste „Kapital“ auch in der Regionalpolitik. Nicht nur für die Industrie ist in Zeiten der Globalisierung die Qualifikation der Arbeitskräfte der Schlüssel. Es geht letztlich darum die großen Potentiale der arbeitenden Menschen, ihre Phantasie, ihr Engagement durch gemeinsame Projekte zu einem Aufbruch zu bündeln. Wichtig für den Erfolg von Regionalpolitik sind daher Partizipation, Mitsprache und Ausbau der regionalen Demokratie auf politischer UND wirtschaftlicher Ebene, was wiederum ungefilterte Informationen und Transparenz voraussetzt.
Allheilmittel Waldviertelautobahn? Gegen Abwanderung hilft eine andere regionale Wirtschaftspolitik!
Seit einigen Wochen taucht als Generallösung für die Probleme des Waldviertels wieder die Waldviertelautobahn aus der Rumpelkammer auf. „Nur eine echte Autobahn kann die Abwanderung stoppen“ lese ich.Dieses Herangehen entspricht insofern nicht der Realität, als die Transportkosten in den meisten Branchen nur einen kleinen Bruchteil der Kosten umfassen, und die Konkurrenzfähigkeit von anderen Faktoren bestimmt wird, insbesondere durch die Vielfalt und Qualität der Arbeitskräfte. Damit die Jugend bleibt, ist eine andere Regionalpolitik, mehr Offenheit und weniger Konservatismus notwendig. Nicht zuletzt wandern derzeit ja vor allem junge Frauen ab.
Wer glaubt, dass die Waldviertelautobahn, alle politisch verursachten Probleme löst, sollte auch bedenken, was nicht nur Verkehrsexperten wissen: Es würde dann auf der Autobahn nicht nur schneller hinausgefahren, sondern große Firmen fahren auch schneller hinein und konkurrenzieren durch ihre großen Mengen noch mehr heimische Gewerbebetreibe nieder (Beispiel Bäcker) und erschweren so die bodenständige regionale Entwicklung.
Wenn von manchen ein Aufschwung für die Region durch einen Radweg AUF der Bahn prophezeit worden ist, wird den eine Autobahn (allein) auch nicht bringen. Wieviele Dauerarbeitsplätzeschafft das derzeitige regionale Leitprojekt?Wenn selbst von Proponenten zu hören ist, dass die Realisierung der Autobahn nun zwischen 25 bis 30 Jahre dauern würde, fragt man sich, wie bis dahin die wirtschaftlichen Probleme des Waldviertels gelöst bzw. nicht gelöst werden würden: Und sollte man die die Riesensummen nicht anders verwenden? Faktum ist aber, dass das Waldviertel bei der Verteilung der regionalpolitischen Mittel durch die mangelnde Aktivität der meisten Regionalpolitiker immer mehr den kürzeren zieht; in diesem Sinn wäre tatsächlich zu kämpfen: Gelder sollten vor allem in Unternehmensgründungen und Unterstützung von kleinen Unternehmen fließen, und nicht zuletzt in zukunftsträchtige Infrastruktur wie schnelle Bahnen und Breitband - ohne Belastungen für die Nutzer.
Immerhin verwendete der VP-Verkehrssprecher genau die Argumentation aus unserer letzten Newsletter- Aussendung: Niemand hat bis jetzt (wohlweislich?) gesagt, wo und wie diese Waldviertelautobahn verlaufen soll. Nach Linz? Nach Wien? Nach Krems? Oder gleich drei Autobahnen? Abgesehen auch davon, dass eine „Waldviertelautobahn“ bei weitem nicht die für eine Autobahn vorgeschriebenen Autofrequenzen aufweisen würde, wären je nach dem ja wieder Teile nicht angeschlossen.
Dr. Dr. Josef Baum, Verkehrsforumsobmann, Ökonom und Wirtschaftsgeograf